Handel

Es passiert immer am Wochenende und an Feiertagen: Zahnschmerzen. Aber zum Glück gehört heute ein Akkuschrauber mit Bohraufsatz zur Grundausstattung eines jeden Haushaltes - und so ein kleiner Kariesbefall lässt sich schnell und einfach daheim ausbohren. Oder?
Nein! Natürlich nicht! Und wir möchten Sie an dieser Stelle auch wirklich dazu ermuntern, es nicht zu tun. Auch wenn die Vorstellung, sich selbst die Zähne anzubohren, schon im Ansatz absurd klingt, ist die Frage doch immer wieder in den Büros dieser Welt sehr präsent: Selber machen oder lieber einkaufen? Eigenfertigung oder Fremdbezug? Make or Buy?

Nicht jeder sollte sich selbst die Haare schneiden

Es geht immer wieder um die Frage, ob Unternehmen Wissen, Technologie, und damit Möglichkeiten, extern einkaufen, oder Zeit und Energie investieren, um dies selbst zu entwickeln. Egal ob es um professionelle Aufnahmen von Produkten geht, die Ausspielung neuer Werbeinhalte, oder auch die Bereitstellung neuer Services für die Kundschaft. Immerhin ist Wissen und Know-How ein wertvolles Gut in unserer heutigen Zeit. Wer jedoch selbst zu wissen denkt, wie man mit der eigenen Bohrmaschine Karies behandelt, könnte sich den Besuch beim Zahnarzt ja gegebenenfalls sparen. Und wer sich an die spannenden selbstgeschnittenen Frisuren während des Lockdowns zurückerinnert, weiß den Profi an der Haarschneidemaschine erst richtig zu schätzen.

Denn gerade der “Make”-Anteil von Make or Buy kann auch schnell zu einem “Brake” werden - zu einem absoluten Debakel. Ein gutes Beispiel ist hier vor allem der Bereich der Softwareentwicklung. Denn immer mehr Provider bieten heute zum Beispiel die Möglichkeit, eigene Apps ohne große Fachkenntnisse zu erstellen. Für viele Unternehmen ist daher die Versuchung groß, mit wenig Personalkosten “inhouse” eine Lösung zu entwickeln, welche sonst extern vergeben vielleicht ein kostspieliges Projekt geworden wäre. Auf dem Papier klingen solche Lösungen sehr gut. Immerhin ist man dadurch maximal flexibel und kann sich sozusagen einen Maßanzug selbst schneidern. Der Nachteil ist jedoch, dass Entwicklung, Einführung und vor allem Erhalt und Wartung keine trivialen Nebenaufgaben sind - sondern monumentale Herausforderungen, welche teilweise ganze Entwicklungsabteilungen nervös auf den Kanten ihrer Bürostühle halten.

Ein Fest für Wirtschaftswissenschaflter

Mit der Frage nach der richtigen Wahl hinsichtlich “Make or Buy” beschäftigen sich Wirtschaftswissenschaftler schon lange. In seinem Buch “Make-or-Buy-Entscheidungen im strategischen Technologiemanagement” erklärt Professor Alexander Brem von der Universität Stuttgart, dass jede neue Einführung von Technologie in einem Unternehmen auch immer aus der Sicht der Forschung und Entwicklung (F&E) betrachtet werden müsse. In Unternehmen stellen diese Bereiche die wertvollsten und gleichzeitig kostspieligsten Komponenten dar. Einfach, da sie potentiell neue Technologien und Prozesse hervorbringen können, welche einem Unternehmen einen klaren Marktvorteil verschaffen - bis dahin aber vor allem Geld kosten. Gerade für Konzerne wird die Frage nach Make or Buy dadurch auch zu einer Frage der eigenen Identität und Existenz.

Aber wie viele Händler besitzen eine eigene Forschungs- und Entwicklungsabteilung (im IT-Department)? Außer einigen großen Ausnahmen wohl sehr wenige. Immerhin liegt das Augenmerk des Handels in Deutschland nicht primär auf der Entwicklung, Pflege und Weiterentwicklungen von IT-Technologien. Vielmehr geht es um das Erobern und Halten von Marktanteilen, um die Einführung neuer Produkte und Marken und vor allem darum, für die Zukunft gewappnet zu sein, um den Kund*innen ein einzigartiges Einkaufserlebnis bieten zu können. Technologie spielt in all diesen Bereichen eine unterstützende und begleitende Rolle - jedoch ist sie immer ein Mittel zum Zweck.

Software as a Service als Zukunftsmodell

Aus diesem Grund ist der Einkauf, beziehungsweise das zeitweise Abonnieren von Technologie, für Unternehmen ohne eigene Forschung und ohne zentrale Softwareentwicklung meist der gesündeste Weg. Sie erhalten erprobte und zuverlässige Technik zu einem kalkulierbaren Preis. Zeitgleich können sich die Händler darauf verlassen, dass ihre Waren, Produkte und Dienstleistungen zügig auch über neue Kanäle zur Kundschaft gelangen - dank eines überschaubaren Time-to-Market Aspektes. Die Tatsache, nicht jede Schnittstelle selbst zu bauen und nicht jeden Bug selbst finden und beheben zu müssen, bedeutet für Händler einen Vorteil, der meist erst während der Scheiterns bei großen Eigenentwicklungen wirklich deutlich wird.

Gerade Software as a Service (SaaS) ist ein Zukunftsmodell, welches für Unternehmen einen gewaltigen Mehrwert darstellt. Denn sollte einmal eine Technologie veraltet sein oder nicht mehr richtig funktionieren, lässt sie sich einfach kündigen und mit einer anderen ersetzen. Dadurch genießen Unternehmen ohne großen Aufwand stets die Vorteile modernster Technologien und Errungenschaften. Egal ob es dabei um eine eigene App geht, einen eigenen Onlineshop oder um die Bereitstellung von Omnichannel-Services wie Ship-from-Store oder Click&Collect. Und das, ohne sich Sorgen um Updates, Patches, Bugfixes oder Server-Infrastruktur machen zu müssen.

Innovation kennt viele Wege

Die Frage nach dem Make or Buy ist für jedes Unternehmen bei jeder Entscheidung wieder spannend und muss gestellt werden. Denn, nicht immer ist der Einkauf von Technologie und Produkten sinnig. Gerade dann, wenn dadurch die Qualität der eigenen Angebote und Waren leidet oder aber die eigene Marktposition geschwächt werden könnte. Doch gerade für Unternehmen ohne eigene Forschung und Entwicklung ist in vielen Bereichen der Einkauf von Wissen, Erfahrung und Technik der einfachste Weg, Prozesse zu optimieren und Innovation schnell ins eigene Unternehmen zu bringen.

Am Ende steht eben immer die Abwägung, wie geschickt man selbst mit einem Bohrer ist - und wie viel man von Zähnen versteht. Glücklicherweise sind die Expertinnen und Experten im Fall der Fälle nur eine E-Mail oder einen Anruf weit entfernt.